Die Gen Z gilt als Generation der Digital Natives – d.h. sie sind mit digitalen Medien aufgewachsen und fühlen sich im Umgang mit ihnen sehr wohl. Warum empfehlen Sie in Ihrem Whitepaper trotzdem, nicht alle Banking-Services zu digitalisieren?

Florian Bruckmaier: Ich empfehle in erster Linie wenig dogmatisch vorzugehen, sondern genau hinzuschauen, was zu den Bedürfnissen der Kunden passt. Wir haben mit gut 700 Kunden gesprochen und dabei hat sich gezeigt, dass Convenience und Digitalisierung immer wichtiger werden. Aber es gibt eben auch nach wie vor Leistungen, bei denen Kunden – jung wie alt – den persönlichen Kontakt klar vorziehen.
Beispiel Chatbots: Diese sprießen aus dem Boden, werden im Finanzumfeld von den Verbrauchern aber für einige Themen noch nicht akzeptiert.

Es kommt immer auf das Einsatzgebiet an. Wir empfehlen: Bei den Kundenbedürfnissen anfangen und dann die richtigen Schwerpunkte bei der Digitalisierung der Services setzen.

In Ihrem Customer Experience Ansatz empfehlen Sie, die richtigen Schwerpunkte zu setzen – wie können diese ermittelt werden und welche Schwerpunkte könnten das sein?

Tobias Greher: Der Envolved Customer Experience Ansatz unterscheidet zwischen zwei Faktoren: Wahrnehmung und Erlebnisse. Wahrnehmungsfaktoren können die Leistungswahrnehmung oft um mehr als 50% beeinflussen. Dazu zählt z.B. das Image eines Instituts. In der Wahrnehmung haben die Institute in der Envolved CEX Bankenstudie häufig „gut“ abgeschnitten. Dies ist eine akzeptable Ausgangssituation, da sie im konkreten Zusammenhang zu den Erlebnissen und Erwartungen steht. Werden die Erwartungen nicht erfüllt, führt das zu Frust. Kunden können natürlich auch begeistert werden. Das eine führt zu einer positiven und das andere zu einer negativen Wahrnehmung. Dabei ist die Individualität der Kunden nicht zu vernachlässigen. Die Frage, die daraus resultiert ist: Wie kann ein Institut die Wahrnehmung positiv beeinflussen? Das in unserer Banking Studie angewendete Kano Modell liefert hierzu einen Ansatz. Sehr klar und auch naheliegend ist das Thema Digitalisierung, die die Gen Z sehr häufig erwartet. Die Gen Z lebt digital und erwartet dies auch von Ihrer Bank! Überraschender ist das Thema Beratung. Alles rund um diese Themen, wie Termine außerhalb der Öffnungszeiten, Expertenvorträge und auch interaktive Schulungen zu komplexen Angelegenheiten schneiden in der Envloved CEX Bankenstudie 2020 sehr erfolgreich ab. Das zeigt, dass für den Envolved Customer Experience Ansatz initial z.B. die Kundenbedürfnisse ermittelt oder die Customer Journey genauer analysiert werden müssen, um diese zu verstehen, ehe Leistungserlebnisse optimiert werden – denn ein bunter und großer Service-Blumenstrauß führt nicht zwangsläufig zu einem besseren Erlebnis der Kunden.

Im Rahmen Ihrer Studie haben Sie auch die Begeisterungsfaktoren der Kunden – insbesondere der Gen Z – erforscht. Mithilfe des Kano-Modells haben Sie so herausgefunden, worauf die Filialbanken achten sollten?

Florian Bruckmaier: Das Thema Digitalisierung und Convenience spiegelt sich auch in den Top Begeisterungsfaktoren. Hier haben z.B. die „Terminvereinbarung per App” oder „Vergünstigte Abos bei Streamingdiensten (z.B. Netflix, Spotify) in Kombination mit einem Girokonto oder einer Kreditkarte” unheimlich gut abgeschnitten. In dem hohen Interesse an Vergünstigungen zeigt sich zudem klar, dass die Gen Z konsequent nach Möglichkeiten sucht, die das eigene Budget schonen. Sparen hat eine hohe Bedeutung. Ein weiteres Thema, was wir ernst nehmen müssen, zeigt sich in dem Punkt „Unterstützung von sozialen, ökologischen und regionalen Projekten durch die Bank”. Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung und Regionalität sind immer entscheidender.

Das Kano Modell, so wie wir es nutzen, ermöglicht einen Blick in die Glaskugel und zeigt uns mit hoher Sicherheit, was an Bedeutung gewinnt und womit sich Institute differenzieren können.

Sie sprechen auch den Zugriff auf die sogenannte „Kundenschnittstelle“ an – was bedeutet das genau und warum ist das auch für Banken so wichtig?

Tobias Greher: Banken kennen ihre Kunden in der Regel gut – je nachdem, ob ein Kunde regelmäßige monatliche Ausgaben, wie z.B. Miete, Mobilfunk und Strom über das Institut abwickelt und seine Giro- bzw. Kreditkarte häufig einsetzt. Das bietet den Banken ein sehr wertvolles Wissen, das noch angereichert werden kann.

In Zukunft wird es für viele Unternehmen und auch für Banken von großer Bedeutung sein, die (digitale) Kundenschnittstelle umfassender zu verstehen und auszubauen. Klares Ziel muss sein, den Kunden besser zu verstehen und ihm so maßgeschneiderte Produkte und Services bieten zu können. Das setzt allerdings voraus, dass die Institute auch die Möglichkeit haben diese Informationen auszuwerten – Stichwort DSGVO. Die Banken sollten hier über Services nachdenken, in denen der Kunde einen echten Mehrwert sieht, denn erst dann ist er bereit seine Daten für weitergehende Zwecke freizugeben. Wir reden hier von einfachen Mehrwerten, wie z.B. ein vergünstigtes Streaming-Abo über die Bank, bis hin zu komplexeren Themenfelder, wie (Multi-) Loyaltyprogrammen. Je nach Art der Services, können zusätzliche Kundeninformationen bzw. -daten gewonnen werden, die für die langfristige Kundenbindung eine zentrale Rolle spielen. So entsteht ein neuartiges Verhältnis zwischen Institut und Kunde, bei dem nicht mehr z.B. nur das Girokonto im Mittelpunkt steht. So kann die Filialbank in Zukunft als zentraler Ansprechpartner für viele Services stehen und dabei vor allem auf das bestehende Vertrauen der Kunden setzen.

Wagen wir zum Abschluss einen Blick in die Zukunft: Sie haben dargestellt, dass die Anzahl der Bankfilialen rapide sinkt und dieser Abwärtstrend bislang kein Ende nimmt. Gibt es in Ihren Augen in Zukunft noch eine Daseinsberechtigung für die Bankfilialen und wenn ja, wie kann ein funktionierendes Konzept aussehen?

Tobias Greher: Die Filiale wird gebraucht, jedoch nicht so wie heute! Die Anzahl wird u.a. durch Fusionen weiter sinken, jedoch nicht verschwinden und es braucht ein neues Konzept. Die Envolved CEX Bankenstudie 2020 hat gezeigt, dass der Bankberater ein hohes Ansehen genießt – daher muss auf ihn gebaut werden und die Beratung im Zentrum der Filiale stehen. Doch häufig werden Filialen eher optisch aufgehübscht – die Teilnehmer der Studie zeigen dafür kein Interesse. In der Filiale müssen sich die Institute also auf das wesentliche fokussieren und auch Flexibilität zeigen. Allgemeine Öffnungszeiten könnten z.B. durch individuelle Beratungstermine ersetzt bzw. ergänzt werden. Des Weiteren ist es von großer Bedeutung die Filiale im Omnikanal optimal zu integrieren – z.B. durch eine Video-Beratung, Terminvereinbarung per App oder das Zusenden aller Unterlagen nach einem Beratungstermin per E-Mail.

Florian Bruckmaier: Banken müssen die Filiale stärker im Kontext des Kunden begreifen. Der Filialbesuch muss in eine Customer Journey eingebettet sein, welche die Lebensrealität der Kunden anerkennt. Das ist häufig nicht der Fall.
Wir müssen stärker berücksichtigen was vor und nach dem Filialbesuch passiert, wo wir nützliche Lösungen bieten können und dadurch Relevanz schaffen.
Es wird nicht funktionieren, darauf zu hoffen, dass Kunden alte Gewohnheiten beibehalten, die sie bisher in die Filiale gebracht haben und auf digitale Services verzichten. Daran ändern auch guter Kaffee, neue Möbel und ein neuer Anstrich nichts.
Die Filialbanken müssen über Beratung, Service und Mehrwerte relevante Anlässe kreieren, die es für Kunden lohnenswert machen die Filiale zu besuchen.

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